WAHRE GRÖßE

Wie groß bist du denn?, werden kleine Kinder gerne gefragt. Wenn sie darauf einsteigen, strecken sie ihre Arme in die Höhe, stellen sich vielleicht sogar auf die Zehenspitzen und lachen. Ginge es tatsächlich um die Körpergröße, könnten wir rau antworten: 'Das stimmt doch gar nicht, denn wir definieren dieses Maß vom Scheitel bis zur Sohle.' Darin liegt aber eben nicht der Sinn dieser Frage. Es macht einfach Freude, wenn schon kleine Menschen über sich hinaus wachsen und zeigen dürfen, was sie können.

Unterschiedliche Größe finden wir auch in unserer Schrift. Manch wichtige Inhalte, Überschriften schreiben wir in großen Lettern, um ihre Bedeutung hervorzuheben.

Wahre Größe erlebe ich beispielsweise, wenn es gelingt, einander in Liebe zu begegnen, wenn nach dem scheinbaren Scheitern nicht der Zusammen-, sondern der Aufbruch folgt, wenn Verzeihen heilsame Spuren hinterlässt und so vieles mehr.

Welche Sehnsucht schreiben Sie groß?

Wie heißen Sie?

Es ist ziemlich unpersönlich, Menschen mit bloß mit 'He Sie' anzusprechen. Wie sinnvoll ist es, einem Neugeborenen einen Namen zu geben. Damit ist es wirklich gemeint, konkret, unverwechselbar.

Die Redewendung 'dem Kind einen Namen geben' wächst darüber noch hinaus. Es sorgt für Klarheit und Orientierung, Dinge zu benennen. Stellen Sie sich vor, Sie wollen Schuhe kaufen und probieren ständige Paare der Größe 36 und 42. Kein Wunder, wenn Ihre Füße keinen Halt finden. Ihre Größe zu kennen, ist eine enorme Erleichterung.

Es bedarf wohl keiner weiteren Beschreibung, welches Wohlgefühl spürbar wird, sich mit dem richtigen Schuh zu bewegen. Damit lassen sich weite Strecken gehen, nichts drückt, es fühlt sich vielleicht sogar wie barfuß gehen an.

 

Gruggedigu

Nun drängt sich die Frage auf: Mit welcher inneren Schuhgröße gehen Sie durch´s Leben?

Was brauchen Sie, um zu Ihrer Größe stehen zu können? Die eigene Größe stimmt! Es hat weder Sinn, an den Zehen zu ziehen, noch sich die Ferse abzuschneiden, um zu entsprechen. Fällt Ihnen dazu auch das Märchen Aschenputtel ein? Was für ein hoffnungsloser Versuch der Stiefschwestern, ihre Füße zurechtzuschneiden. Die Wahrheit kommt ja doch ans Licht.

 

Wie sehr klingt mir noch die Ermutigung meines Musiklehrers in den Ohren, wir sollten Großes wagen. Keine Halbherzigkeiten. Natürlich können wir auch großartige scheitern. Gelingen und Scheitern sind zwei Seiten einer Medaille - die des Tuns. Sie kennen wohl Alexis Zorbas´ Staunen 'He Chef, haben Sie je gesehen, dass etwas so bildschön zusammenkracht?!' - und lacht und tanzt. Das ist wahre Größe.

Ihnen gelingt das nicht immer? Mir auch nicht. Manchmal habe ich auch Angst davor, zu scheitern. Ein Tor, wer behauptet, keine Angst zu haben. Sie soll uns aber nicht am Gehen hindern. Das kann manchmal durchaus anstrengend sein. Wer sich von der Angst terrorisieren lässt, kommt nirgendwohin. Es bleibt dann ein Pendeln zwischen Ja und Nein, ein Abwägen vieler Argumente und Gedanken. Doch zu Tode gefürchtet ist letztlich auch gestorben - doch mit sehr wenig Freude davor.

 

Sie können sich gerne fragen:

Welches Wort, welche Sehnsucht ist mir groß ins Herz geschrieben?

Welche Talente wollen längst verwirklicht werden? Welche setze ich bereits um?

Gibt es Menschen, Aufgaben, Entscheidungen, die auf eine Antwort von mir warten?

Welches - auch kleine - Vorhaben will umgesetzt werden?

 

Gewähren Sie dem Zögern und Nachdenken nicht so viel Zeit, geben Sie Trägheit und Bequemlichkeit nicht zu lange nach. Energie, die Sie für das Tun brauchen, verpufft so im Nichts und schwächt darüber hinaus. Weichen Sie nicht vor sich selbst und anderen aus.

 

Ich wünsche Ihnen und mir von Herzen, befreites Tun mit Gelingen und Scheitern, mutiges Überwinden der Angst und vollmundigen Genuss der Freude.

Und wahre Größe wächst weit über Scheitel und Sohle hinaus.

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