DU HAST EINEN VOGEL

... ist nicht gerade die feinste Art, einem Gegenüber mitzuteilen, was wir von ihm halten. Wert­schätzung hört sich definitiv anders an.

 

In diesen Frühjahrswochen waren reale Vogel-stimmen noch deutlicher zu hören. Der reduzierte Verkehr trug bestimmt dazu bei. Unsere Aufmerksamkeit war erhöht. Unsere Sinne sind geschärft.

 

Was haben Sie gehört?

 

Wer nicht sieht ...

Ich erinnere mich gerne an die Tage, in denen ich draußen lag und ihnen zuhörte - den Lerchen. Dann war für mich Sommer. Bis heute hat sich daran nichts geändert.

Vor wenigen Tagen saß ich mit einem Buch im Gartensessel, als meine kleine Nachbarin auf mich zukam. Wir plauderten, und ich fragte sie, ob sie den Vogel höre. 'Ja! Wo ist er?'

Als hätte ich ein Objektiv vor meinen Augen, versuche ich auf verschiedene Distanzen scharf zu stellen. Irgendwo ist der kleine Punkt vor dem Blau des Himmels zu erkennen. Manchmal. Diesmal nicht. Wir beide konnten ihn nur hören. Das jedoch mit Gewissheit!

 

... kann vertrauen

Meine kleine Nachbarin und ich haben beschlossen 'eine kleine Stunde lang' Ameisen zuzusehen, mit Löwenzahnsamen zu zeichnen und über das Leben zu philosophieren. Vierjährige können das ausgezeichnet. Und die Lerche hat gesungen.

 

Nicht immer ist Wesentliches sichtbar oder gar beweisbar:

Was macht die Beziehung zu einem geliebten Menschen aus?

Wie beschreiben Sie das Gefühl der Nähe?

Was bedeutet Ihnen Musik, ein Kunstwerk?

 

Nur, weil die Lerche nicht mit dem Auge auszumachen ist, stelle ich weder ihre Existenz noch meine Freude darüber in Frage.

Wie ein Vogel singt der heile Kern unsichtbar in uns, weckt Vertrauen, stärkt Zuversicht, erinnert an Wieder-Willen nach herausfordernden Zeiten. Wir erkennen ihn im Gewirr unter­schiedlicher Eindrücke, fühlen uns heimelig und können ihm Gehör schenken.

 

Lassen wir doch den

Vogel frei

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