Willkommen sind sie selten, genau genommen nie, die Krisen, die Veränderungen. Letztere selbst dann nicht, wenn sie gut sind. Erst beim zweiten, dritten Hinsehen. Dann schon.
Aber Krisen? Ungefragt kommen sie, ungebeten bleiben sie, vorerst. Und dann:
Sie gehen, wir bleiben. Doch wie?
Bleiben wir zurück? Gehen wir voran?
Und vor allem: Wofür das Ganze?
Wie geht es dir ...
... fragen wir uns jetzt selten, wenn wir einander hören. Eher: Was machst du den ganzen Tag? Wie weit ist die Decke über dem Kopf? Noch alles gut bei euch?
'Bleib gesund und glücklich' wünschte mir heute ein Rot-Kreuz-Mitarbeiter mit hörbarem Lächeln in der Stimme. An der Kasse im Supermarkt sehe ich einen Blumenstock am Förderband. Die Kassiererin fragend: 'Der ist aber nicht von uns?!' 'Nein, der ist FÜR euch, weil ihr die ganze Zeit da seid. Vielen Dank!' - stilles Staunen - '... den stell ich in unseren Sozialraum ... also ... Danke, so nett'.
Was machst du so ...
... in den Zeiten der Veränderung? Schönreden?
Hat wenig Sinn, denn Mist riecht nicht nach Parfum. Augen zu und durch?
Könnte gefährlich werden, weil wir dann auch Hilfreiches am Wegrand übersehen. Atmen?
Das schon eher. Durchatmen. Wenn Panik aufkommt, sie ernst nehmen und trotzdem sich selbst trauen.
Wir sind nicht Panik, wir haben sie. Wir sind auch nicht unsere Kleidung, wir haben sie an - und können sie auch wieder ablegen. Mit Stoff ist das leichter. Und mit der Angst, mit der Unsicherheit, mit dem Ausbrechenwollen aus der Enge?
Wieder: ernst nehmen
Und gleichzeitig: spüren, nämlich das, was jetzt Halt, Zuversicht, Wärme gibt.
Oder auch: erinnern, was mir immer Halt, Zuversicht, Wärme gab.
Angst macht eng, dreht sich mit uns ein, schnürt uns Kehle und Magen zu.
Der Blick an den Horizont, an das, was nach der Angst kommt und bleibt, an das, wofür es sich lohnt weiterzugehen, an den Punkt, wo ich erleichtert zurückschaue und mich freue 'Wie sehr bin ich daran gewachsen. Leicht war es nicht. Doch wenn es notwendig war, um hierher zu kommen, wo ich jetzt bin, dann kann ich direkt dankbar sein ...'
Dieser Blick ist es, der wieder Weite zulässt, aufatmen, Halt, Zuversicht, Wärme fühlen lässt.
Und Vertrauen. Und Liebe
Macht uns gerade eine Krankheit heil?
Ohne Romantik gefragt:
Welche Verordnung hätte Eltern so viel Zeit mit ihren Kindern schenken können? Welche Umstände wären flächendeckend Anlass zu so vielen Telephonaten, Nachrichten, Postsendungen? Welches Ereignis hätte mit einem Mal die Bedeutung fordernder und gleichzeitig schlecht bezahlter Berufe deutlich gemacht? Welche Maßnahme hätte über Branchen hinweg nach dermaßen kreativen Wegen gefragt? Welche Erschütterung, vom Tod abgesehen, wäre massiv genug, uns das Make up äußerer Bedürfnisse abzuschminken und unser Leben, unsere Beziehungen, unser Wirtschaften dem tragenden Fundament innerer Sehnsucht und sozialer Verantwortung anzuvertrauen?
Krankheit macht vor niemandem Halt - weder Besitz, Status, Freunderlwirtschaft dienen als Pfand.
Wachsen können wir, individuell und gemeinsam, wenn wir auch die andere Seite der Medaille sehen. Beim zweiten, dritten Hinsehen, Fühlen, Entscheiden ...
Und uns dann die Frage stellen:
Wofür sind wir?
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