Lange Zeit denken wir: „Mein innerer Krug ist immer voll.“
Vielleicht stimmt eher: angefüllt mit „Du musst“, „Du sollst“, Zeitvertreib, Gedanken, Ablenkung, … Kaum sehen wir wirklich hin und beginnen zu spüren, erkennen wir das Gerümpel und die Leere … und reagieren abwechselnd mit erneuter Ablenkung, Trauer, Wut, ...
Bis die Erleichterung wirkt: Endlich nicht mehr Müssen, nicht mehr Sollen! Wir können alles Gerümpel dorthin bringen, wo es hingehört.
Aufatmen
So viel Raum!
Doch womit füllen?
Es beginnen sich Argumente von „Ich will, aber ich kann nicht, trau mich nicht“ anzusammeln. Wir könnten daran verzweifeln, dass unser Krug nicht voller ist, dass er bei anderen – anscheinend – nie leer wird, dass unter den Voraussetzungen anderer alles leichter wäre, … Wir meinen, die anderen trügen Schuld und Verantwortung für unser beschnittenes Leben, doch wir beschneiden uns selbst, engen uns mittlerweile selbst ein und sitzen dem inneren „Wissenschaftler“ auf. Er sorgt dafür, für jeden der vielen Grübelei-Gedanken ein Argument zur Untermauerung zu finden – leider gegen unsere Lebendigkeit.
Jedes leiseste Versuchen, Ahnen, Hoffen, Freuen redet er weg, verlangt sofort einen Beweis dafür. Der ist so schnell natürlich nicht zu bringen – wir hingegen sind schnell wieder von Spontaneität, Lebendigkeit, … abgekommen.
Weshalb ist der Wissenschaftler so „aktiv“? Weil er seinen Job verliert, sobald wir unserer Sehnsucht, unserer Fülle zu trauen beginnen.
So lange wir uns um den Wissenschaftler kümmern, besorgen wir ihm immer neuen Stoff, lassen ihm einen Arbeitsbereich nach dem anderen zukommen, mutieren selbst zum Arbeitsmarktservice. Er bringt viele Angestellte mit, die auch ganz mitleidig um einen kleinen Dienst bitten.
Rücksichtsvoll, wie wir sind, bekommen sie natürlich eine Aufgabe – wir können sie doch nicht im Regen stehen lassen, so unbarmherzig (dass wir dabei mit unserem Selbst, unserem Potenzial unbarmherzig umgehen, lassen wir viel unbedachter geschehen). Wir werden zu Vorgesetzten unserer eigenen Parasiten und meinen, sie ernähren zu müssen.
Kommt uns das bekannt vor?
Wir haben unseren Krug von diesem Um-Uns-Kreisen, von diesen gedanklichen Ablenkungen, "mit Hilfe" unseres Wissenschaftlers von neuem „angevöllert“! Obwohl wir uns vermeintlich um uns selbst gekümmert haben. Wir sind voll Kummer, weniger voll des Lebens.
So wirklich gut lebt es sich damit auch nicht. Wir wollen doch im Innersten lebendig, freudig, glücklich sein. Was tun wir in unserer Not? Wir versuchen, das, was uns fehlt, von anderen abzuschöpfen – ein wenig Nähe da, ein wenig Aufmerksamkeit dort, nicht wenig Leistung für etwas Anerkennung … aber nie ganz, weil wir sonst das Gefühl haben, damit nicht umgehen zu können und ein wenig unbeholfen sind. Unsere ständigen Gedanken „Ist das jetzt gut oder schlecht, denke ich jetzt, dass ich mich gut fühle, …“ verzerren uns, verstellen uns den Blick auf das Wesentliche, auf das Leben.
Wir wollten doch gerade eben noch so richtig leben?!
Wir können den Krug wohl nur füllen, wenn wir bedingungslos unserer Quelle trauen, der ewigen. Der Weg dorthin ist uns im Innersten vertraut und doch ist er immer wieder neu, immer wieder ein Wagnis, immer wieder nach dem Überwinden der ersten Hürde zu finden. Gehen lässt er sich in jenem Vertrauen, das wir nur mit unseren Herzensaugen sehen, spüren, ahnen. Sie kennen die Angst und lassen sich dennoch nicht beirren.
Die Wünschelrute richtet sich nach unserer unbändigen Sehnsucht nach Leben – in Freiheit. Sie schlägt aus, sobald wir den ersten Schritt tun – zaghaft anfangs, dann entschlossener, letztlich unhinterfragbar.
Und Leben ist – in Fülle und Freude und Liebe
Und spüren: Mein Krug fließt über!
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Christopher (Mittwoch, 04 Mai 2016 01:18)
Einfach mal abschalten können ist wichtig, ich selbst bin Unternehmer und kenne das Gefühl, wenn man einfach 1000 Dinge und Gedanken um sich hat. Aber wenn es mir zuviel wird, so schalte ich einfach ab. Und das bewirkt Wunder und gibt neue Kraft.
Karin Grössenbrunner (Mittwoch, 04 Mai 2016 16:59)
Wie schön und erleichternd, wenn Sie von dieser Fähigkeit, "einfach abschalten zu können", Gebrauch machen, lieber Christopher.
Und dann geschieht das Wunder ... Leben!